Projekt 50:
Schliff eines 50 cm Spiegels
In einem weiteren Anfall an Größenwahn und Öffnungsfieber habe ich mich dazu hinreißen lassen, ein neues Schleifprojekt in Angriff zu nehmen. Zum einen, weil es mir einfach irre Spaß macht und zum anderen, weil ich den vorhandenen 16“ Spiegel unserer Gartensternwarte gerne gegen ein größeres Exemplar austauschen wollte.
Nach längerer vergeblicher Suche nach einem geeigneten Rohling hier in Deutschland, stieß ich im Herbst 2008 auf die englische Firma ORION UK, die mir nach kurzem Mail-Kontakt einen Rohling mit 45mm Dicke und 510mm Durchmesser zu fairem Preis anbot.
Nach 8 Wochen war der Rohling endlich da, und das Ganze ohne Glasbruch...
Die Rückseite war eben gefräst, die Kante gefast und die Forderseite mit einer Kurve für das Öffnungsverhältnis von f/4 vorbereitet. Die Jungs von Orion haben wirklich gute Arbeit geleistet….
Nun ging es daran, ein geeignetes Tool zu gießen. Dazu wurde der Spiegel mit einer Plastikfolie abgedeckt und ein Ring in zukünftiger Toolgröße von 400 mm auf der Folie mit Klebeband fixiert. Mit Fliesenkleber wurde dann die Form auf eine Höhe von ca. 3 cm aufgefüllt und glatt gestrichen. Nach drei Tagen war das Tool trocken und ließ sich ohne Probleme vom Spiegel und der Folie lösen.
Durch den negativen Abdruck war nun eine gewölbte Form entstanden, die dem Rohlingradius entsprach. Diese wurde dann mit kleinen Glasmosaiksteinen beklebt, die wir zuvor im Baumarkt ausfindig gemacht hatten. Mit Epoxydharzkleber (bitte nur gute Qualität verwenden) gelang dieses sehr gut. Um das Herausbröseln des im Fliesenkleber vorhandenen Sandes zu verhindern, versiegelten wir das gesamte Tool ebenfalls mit Epoxy.
Das Tool war ungewohnt schwer und ich musste gerade beim Abziehen extrem aufpassen, dass ich die Kante des Spiegels nicht beschädigte. Wenn ich beim Herunterziehen das Tool etwas nach oben zog, gelang dies recht gut und bis zum Schluss blieb die Kante unbeschädigt. (Glück gehabt!)
Zum Anpassen des Tools kam zunächst 80ger Karbo zum Einsatz, wurde aber schnell durch 180ger ersetzt. Um Astigmatismus von vornherein zu vermeiden, gewöhnte ich mir gleich an, den Spiegel auf der Teppichunterlage regelmäßig zu drehen. Am häufigsten setzte ich chaotische Striche an, wobei ich darauf achtete, dass jede Spiegelzone gleichmäßig bearbeitet wurde.
Nach jedem Karbowechsel wurde alles gründlich gereinigt und die Teppichunterlage ausgetauscht. Frisches Wasser und ein neues Schwammtuch zum Abwischen wurden bereitgestellt. Ich hatte mich eigentlich auf Schwerstarbeit eingerichtet, war aber überrascht, wie verhältnismäßig leicht sich das große Tool über den Spiegel bewegen ließ.
Wie lange es nun gedauert hat, den Spiegel zu schleifen, kann ich nicht genau sagen. Es ging aber rein subjektiv sehr schnell. Ich denke es waren weniger als 10 Stunden reine Schleifzeit. Ich nehme mir eigentlich immer vor, ein Schleiftagebuch zu schreiben, mir fehlt hier aber irgendwie das Durchhaltevermögen. Respekt an alle die, die es durchziehen.
Während des Schleifens und gerade bei den feinen Karbostufen musste ich höllisch aufpassen, dass das Tool nicht klebt. Gott sei dank ist mir das nur ein einziges mal passiert und nach Zugabe von Wasser und etwas Hebelkraft mit einem Holzstück, löste sich das Tool wieder vom Spiegel, ohne irgendetwas zu beschädigen. Der Grund hierfür war zu trockenes Arbeiten.
Nachdem der Spiegel durchs umgedrehte Okular mit darunter gehaltener Taschenlampe keine größeren Pits mehr zeigte, wurde es Zeit mit der Politur zu beginnen. Auch auf die Gefahr hin das Tool am Ende nicht mehr verwenden zu können, goss ich das 28° Pech auf die mit den Glassteinen beklebte Fläche. Mit einer Aluschiene presste ich im Abstand von 4 cm Rillen hinein und passte die so gewonnene Pechhaut der Spiegeloberfläche an.
Das Polieren entwickelte sich allerdings zu einer sehr schweißtreibenden Angelegenheit. Die Pechhaut packte derart gut, dass ich maximal 5 Minuten polieren konnte. Nach einer halben Stunde Pause noch einmal 5 Minuten. Das konnte es jetzt nicht sein. Das Problem lag einfach darin, den Spiegel zu halten und die entsprechende Kraft zu übertragen.
Ein Holzgestell mit aufrecht stehenden Griffen erleichterte mir die Arbeit erheblich.
Zu all dem kam noch die Temperatur in meinem Keller. 28° Pech bei einer Raumtemperatur von 18°C zu verwenden ist alles andere als optimal. Das Pech ist einfach zu hart und störrisch und passt sich dem Spiegel nicht richtig an. Das zusätzlich hohe Gewicht der Pechhaut machte mir zudem sehr zu schaffen.
Einziger Vorteil ist das Verhindern einer abgesunkenen Kante und das war mir sehr wichtig. Im späteren Verlauf, um dem Spiegel eine glattere Oberfläche zu geben, wechselte ich zum 30cm Tool mit 23° Pech. Damit ging es doch deutlich besser.
Nach ca. 6 Stunden Politur mit chaotischen Strichen, war der Spiegel in meinen Augen auspoliert und zeigte einen guten Rand und einen leichten Parabelschatten. Also beste Voraussetzungen, um mit dem Parabolisieren zu beginnen.
Ein Alptraum begann! Die Parabolisierung des Spiegels und das sehr ambitionierte Öffnungsverhältnis von f/4 ließen mich an meine physischen Grenzen stoßen. Die Parabel wollte nicht die gewünschte Form annehmen und die Mitte des Spiegels musste viel tiefer auspoliert werden, um eine optimale Figur hinzubekommen. Zudem bekam ich Probleme mit meinem Messaufbau und der Foucaultschen Messmethode, die zur genauen Bestimmung so großer und schneller Spiegel einfach nicht mehr ausreichte. Zu guter Letzt zog ich mir auf Grund der anstrengenden Arbeit im rechten Ellenbogen eine sehr schmerzhafte Entzündung zu, die selbst ein halbes Jahr später nicht abklingen wollte.
Für mich gab es jetzt nur zwei Wege: entweder warten, bis ich meinen Arm wieder einsetzen konnte, einen komplett neuen interferometrischen Messaufbau planen und konstruieren und hoffen, dass ich den Spiegel selbst wieder in die richtige Parabel zurückbringen konnte. Oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und einen hoffentlich perfekten Spiegel zu bekommen, den ich mir ja eigentlich gewünscht hatte.
Ich wählte die zweite Methode, die mich deutlich schneller ans Ziel bringen würde und nahm Kontakt mit Wolfram Felber von AllunaOptics auf. Er erkläre sich nach einer Messung freundlicherweise bereit, meinem angefangenen Spiegel auf die Sprünge zu helfen und 6 Wochen später konnte ich den nun perfekt parabolisierten und belegten Spiegel bei ihm abholen. Ein erhebendes Gefühl, wenn man bedenkt, wie viel Sorgen einem so ein Stück Glas bereiten kann.